Maman dimanche im Mutter-Kind-Heim

Im Oktober war Christine Ntahe zum ersten Mal ins Mutter-Kind-Heim Nyubahiriza gekommen. Sie hatte damals um eine vorübergehende Unterkunft für ein Mädchen gebeten, das sie von der Straße aufgenommen hatte. Ntahe ist seit 2022 Präsidentin des burundischen Roten Kreuzes.

Die 74-Jährige war überrascht von der großen Anzahl der Frauen und Mädchen im Heim und der beispielhaften Art und Weise, wie sie im Zentrum betreut werden, sowie von der Sauberkeit und Ordnung im Heim. Für diese Arbeit zugunsten derer, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt würden, sei sie sehr dankbar. Ntahe versprach damals, wiederzukommen.

Ihr Wort hat sie nun gehalten: sie kam zurück ins Mutter-Kind-Heim und brachte für die Mädchen Hygieneartikel, Brot und Saft für die Kids. Sie blieb kurz, um zusammen mit den Betreuerinnen des Heims den Mädchen vor allem die wiederverwendbaren Binden zu erklären.

Seit 2009 gehört Ntahe dem burundischen Roten Kreuz an. Sie hatte mehrere Jahrzehnte als Journalistin für das staatliche Radio und Fernsehen gearbeitet, wo sie bereits dafür gesorgt hatte, dass Kinder eine Stimme bekommen. Außerdem hat sie sich als Menschen- und Kinderrechteaktivistin einen Namen gemacht. Da sie sonntags immer für Straßenkinder eine Mahlzeit ausgegeben hatte, wurde sie liebevoll maman dimanche (Mama Sonntag) genannt.

 

Schuhmacherin

Evelyne kam 2019 ins Mutter-Kind-Heim, nachdem sie einen schwierigen Parcours hinter sich gebracht hatte. Ihr Vater hatte sie gedrängt, die Schule aufzugeben und stattdessen zu arbeiten. Sie war vom Heimatort im Nordwesten Burundis in die Stadt Bujumbura gekommen, um als Hausmädchen zu arbeiten. Sie wurde Opfer sexueller Gewalt durch den Nachbarn und schwanger, woraufhin sie ihren Job verlor. Im Heim Nyubahiriza gewann sie neue Lebensfreude und absolvierte eine Ausbildung zur Schuhmacherin.

Nach erfolgreicher Ausbildung war es an der Zeit, an ihre Zukunft zu denken. Die erst 18-jährige Evelyne hatte Heimweh. Und mit den neuen Kenntnissen im Schuhmacherhandwerk kann sie nun für sich selbst und ihr Kind sorgen. Joelle Vyukusenge, Psychologin und Sozialarbeiterin des Heims, begleitete Evelyne zurück in ihren Heimatort. Die Mutter und Evelynes jüngere Geschwister nahmen sie herzlich in Empfang. Sie selbst habe jetzt viel Motivation, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das notwendige Startkapital bekam sie mit.

Verantwortung und Selbständigkeit

Im Juni waren 19 junge Mütter und 17 Kinder (9 Jungen und 8 Mädchen) im Centre Nyubahiriza untergebracht. Da regelmäßig Mädchen reintegriert werden und neue Schutzsuchende aufgenommen werden, kann sich die Zahl der Bewohnerinnen von Monat zu Monat ändern.

Neben Unterkunft und Verpflegung haben die Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit, wieder in die Schule zu gehen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. Eine junge Mutter besucht die Oberstufe und macht dort die Ausbildung in Banken- und Versicherungswesen. Eine andere Mutter studiert an der Universität der Großen Seen im Rahmen des Stipendienprogramms von Burundikids e.V. und SFFW. Sie hilft außerdem bei der Betreuung im Heim mit. Ihre Tochter hat gerade erfolgreich die vierte Klasse der Grundschule abgeschlossen. Zwei weitere Kinder gehen in die Kindertagesstätte Duhinduke im benachbarten Viertel – die ebenfalls von Burundikids e.V. unterstützt wird.

Zwei junge Mütter, die nie die Chance eines Schulbesuchs hatten, helfen im Team der Schneiderei aus, die Burundikids e.V. mit dem lokalen Partner, Fondation Stamm, in Bujumbura betreibt. Sie hatten eine Ausbildung absolviert und als Beste abgeschnitten, weshalb sie der Schneider in seinem Team behalten wollte, um Aufträge zu bearbeiten – wie zum Beispiel Arbeitskleidung für das Krankenhaus CMH oder die Innenausstattung für das neue Jugendzentrum Thilo Kehrer-Center in Gitega. Sie haben aktuell einige Kleider für die Frauen und Mädchen im Heim genäht. Die Stoffe dafür kommen aus der Textilfabrik in Bujumbura. Sechs Frauen, die neu im Heim sind, haben sich bereits für den nächsten Ausbildungsgang angemeldet. Eine andere Mutter, die zwischenzeitlich zu ihrer Familie im Norden des Landes zurückging, hatte Sandalen für einige der Frauen im Heim angefertigt, nachdem sie eine Ausbildung zur Schuhmacherin absolviert hatte.

Der junge Mephi lebt mit einer Behinderung in einem Arm und einem Bein. Anfang des Jahres hat er eine Prothese für sein Bein erhalten, die es ihm ermöglicht, sich leichter fortzubewegen. Ab sieben Jahren wird Mephi die Möglichkeit haben, in Saint Kizito zu lernen und die notwendige medizinische Betreuung zu erhalten. Die Einrichtung ist darauf spezialisiert. Bis dahin und ab dem neuen Schuljahr im September soll Mephi die Kindertagesstätte und Kindergarten im Nachbarviertel besuchen, wie einige andere Kinder aus dem Heim. Seine Mutter möchte ihn dorthin begleiten, um zu sehen, ob er alleine mit den Prothesen zurecht kommt. Die müssen auch regelmäßig geprüft und jeweils mit dem Wachstum des Jungen neu angepasst werden. Seine Mutter ist Teil des Schneiderinnenteams. Sie möchte alles tun, um für sich und ihren Sohn zu sorgen.

Neuanfang mit Schulbesuch

Noch in ihrer Schulzeit wurde Arielle N. schwanger – sie musste deshalb die Schule unterbrechen, so will es das burundische Gesetz. Ihre Familie hatte die ungewollte Schwangerschaft als Schande empfunden und das Mädchen verstoßen. Sie suchte in der Stadt Bujumbura ihr Glück und verbrachte dort Zeit auf der Straße. Beamte in einem Stadtviertel nahmen sich ihr an und vermittelten sie ans Mutter-Kind-Heim Centre Nyubahiriza, wo sie Unterschlupf erhalten konnte.

Die Mitarbeiterin des Heims, Psychologin Joelle Vyukusenge, bereitete zusammen mit Arielle ihre Reintegration vor. Arielle ist erst 17 Jahre alt – die hat demnach noch gute Chancen, die Schule wieder aufzunehmen und einen Abschluss zu absolvieren.

Als die Psychologin und Arielle an deren Elternhaus im ländlichen Umfeld von Bujumbura ankamen, wurden sie freundlich von den Eltern empfangen. Die Mutter arbeitet als Lehrerin, der Vater als Agronom. Sie zeigten sich versöhnlich und waren bereit, ihre Tochter wieder bei sich aufzunehmen – und sicherzustellen, dass sie die Schule wieder besuche.

Ein neues Leben mit Landwirtschaft und Viehzucht

Als sie noch in der Schule war und die Klasse nicht bestanden hatte, beschloss Florence N., die Schule abzubrechen und nach Bujumbura zu gehen. Dort, in der Großstadt, mehrere Hundert Kilometer von ihrer Heimat Kirundo (Norden Burundis) entfernt, hoffte sie, Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Sie nahm einen Job als Haushaltshilfe an.

Von dem Jungen, der mit ihr im selben Haushalt arbeitete, wurde Florence schwanger – er leugnete jedoch die Vaterschaft. Florence gebar Zwillinge. Ihren Job verlor sie – nach Hause konnte sie in ihrer Situation auch nicht. Folglich bat sie die Behörden um Hilfe, die sie mit dem Mutter-Kind-Heim Nyubahiriza in Verbindung brachten.

Heute ist Florence 22 Jahre alt, ihre Kinder eineinhalb Jahre. Für sie ist der Zeitpunkt gekommen, zurück in ihre Heimat zu ziehen, und mit ihrer Mutter zusammenzuleben. Die Mitarbeiterin und Psychologin Joelle Vyukusenge kümmerte sich um die Familienzusammenführung und begleitete die junge Mutter mit ihren Zwillingen in den Norden Burundis – auf teils schwer passierbaren Pisten und streckenweise mit dem Motorradtaxi.

Florences Mutter freute sich über die Rückkehr der Tochter – sie hätte nicht mehr damit gerechnet, sie wiederzusehen. Florence ihrerseits versprach, mit der Anschubfinanzierung, die sie erhalten hatte, in Landwirtschaft und Viehzucht zu investieren und somit zum gemeinsamen Haushalt beizutragen.

Wieder vereint

v.l.n.r. Louises Mutter, Louise mit Sohn Benny, Psychologin Joelle Vyukusenge

Louise T. hatte als Kindermädchen in einem Viertel in der Stadt Bujumbura gearbeitet. Der Hausangestellte eines Nachbarn, auf den sie sich eingelassen hatte, leugnete jedoch die Schwangerschaft, als Louise schwanger wurde. Sie suchte Hilfe – und wurde schließlich von Mitarbeitenden der Organisation Terre des hommes in Mütterheim Centre Nyubahiriza gebracht.

Heute ist Louise 20 Jahre alt und Mutter von Benny. Im Heim fühlte sie sich wohl, konnte ihr Leben neu planen und hat im vergangenen Jahr an der Ausbildung in Schneiderei teilgenommen. Dabei entwickelte sie den Wunsch, wieder in ihr Dorf im ländlichen Umfeld von Bujumbura zurückzukehren und mit ihrer Familie zusammenzuleben.

Unsere Mitarbeiterin, die Psychologin Joelle Vyukusenge, hat Louise begleitet und zu ihrem Elternhaus gebracht. Dort erwarteten sie offene Arme und Freude – bei solchen Familienzusammenführungen nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Psychologin Vyukusenge führte ein längeres Gespräch und sicherte sich mit Absprachen zwischen Louise und ihren Eltern ab, dass das künftige Zusammenleben reibungslos funktionieren kann. Louise wird künftig zum Familieneinkommen beitragen können. Die Schneiderausbildung und eine Anschubfinanzierung erlauben es ihr, selbständig tätig zu werden. Außerdem habe sie ein sehr gutes Gefühl dabei, wie Vyukusenge berichtet.