Verantwortung und Selbständigkeit

Im Juni waren 19 junge Mütter und 17 Kinder (9 Jungen und 8 Mädchen) im Centre Nyubahiriza untergebracht. Da regelmäßig Mädchen reintegriert werden und neue Schutzsuchende aufgenommen werden, kann sich die Zahl der Bewohnerinnen von Monat zu Monat ändern.

Neben Unterkunft und Verpflegung haben die Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit, wieder in die Schule zu gehen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. Eine junge Mutter besucht die Oberstufe und macht dort die Ausbildung in Banken- und Versicherungswesen. Eine andere Mutter studiert an der Universität der Großen Seen im Rahmen des Stipendienprogramms von Burundikids e.V. und SFFW. Sie hilft außerdem bei der Betreuung im Heim mit. Ihre Tochter hat gerade erfolgreich die vierte Klasse der Grundschule abgeschlossen. Zwei weitere Kinder gehen in die Kindertagesstätte Duhinduke im benachbarten Viertel – die ebenfalls von Burundikids e.V. unterstützt wird.

Zwei junge Mütter, die nie die Chance eines Schulbesuchs hatten, helfen im Team der Schneiderei aus, die Burundikids e.V. mit dem lokalen Partner, Fondation Stamm, in Bujumbura betreibt. Sie hatten eine Ausbildung absolviert und als Beste abgeschnitten, weshalb sie der Schneider in seinem Team behalten wollte, um Aufträge zu bearbeiten – wie zum Beispiel Arbeitskleidung für das Krankenhaus CMH oder die Innenausstattung für das neue Jugendzentrum Thilo Kehrer-Center in Gitega. Sie haben aktuell einige Kleider für die Frauen und Mädchen im Heim genäht. Die Stoffe dafür kommen aus der Textilfabrik in Bujumbura. Sechs Frauen, die neu im Heim sind, haben sich bereits für den nächsten Ausbildungsgang angemeldet. Eine andere Mutter, die zwischenzeitlich zu ihrer Familie im Norden des Landes zurückging, hatte Sandalen für einige der Frauen im Heim angefertigt, nachdem sie eine Ausbildung zur Schuhmacherin absolviert hatte.

Der junge Mephi lebt mit einer Behinderung in einem Arm und einem Bein. Anfang des Jahres hat er eine Prothese für sein Bein erhalten, die es ihm ermöglicht, sich leichter fortzubewegen. Ab sieben Jahren wird Mephi die Möglichkeit haben, in Saint Kizito zu lernen und die notwendige medizinische Betreuung zu erhalten. Die Einrichtung ist darauf spezialisiert. Bis dahin und ab dem neuen Schuljahr im September soll Mephi die Kindertagesstätte und Kindergarten im Nachbarviertel besuchen, wie einige andere Kinder aus dem Heim. Seine Mutter möchte ihn dorthin begleiten, um zu sehen, ob er alleine mit den Prothesen zurecht kommt. Die müssen auch regelmäßig geprüft und jeweils mit dem Wachstum des Jungen neu angepasst werden. Seine Mutter ist Teil des Schneiderinnenteams. Sie möchte alles tun, um für sich und ihren Sohn zu sorgen.

Neuanfang mit Schulbesuch

Noch in ihrer Schulzeit wurde Arielle N. schwanger – sie musste deshalb die Schule unterbrechen, so will es das burundische Gesetz. Ihre Familie hatte die ungewollte Schwangerschaft als Schande empfunden und das Mädchen verstoßen. Sie suchte in der Stadt Bujumbura ihr Glück und verbrachte dort Zeit auf der Straße. Beamte in einem Stadtviertel nahmen sich ihr an und vermittelten sie ans Mutter-Kind-Heim Centre Nyubahiriza, wo sie Unterschlupf erhalten konnte.

Die Mitarbeiterin des Heims, Psychologin Joelle Vyukusenge, bereitete zusammen mit Arielle ihre Reintegration vor. Arielle ist erst 17 Jahre alt – die hat demnach noch gute Chancen, die Schule wieder aufzunehmen und einen Abschluss zu absolvieren.

Als die Psychologin und Arielle an deren Elternhaus im ländlichen Umfeld von Bujumbura ankamen, wurden sie freundlich von den Eltern empfangen. Die Mutter arbeitet als Lehrerin, der Vater als Agronom. Sie zeigten sich versöhnlich und waren bereit, ihre Tochter wieder bei sich aufzunehmen – und sicherzustellen, dass sie die Schule wieder besuche.

Ein neues Leben mit Landwirtschaft und Viehzucht

Als sie noch in der Schule war und die Klasse nicht bestanden hatte, beschloss Florence N., die Schule abzubrechen und nach Bujumbura zu gehen. Dort, in der Großstadt, mehrere Hundert Kilometer von ihrer Heimat Kirundo (Norden Burundis) entfernt, hoffte sie, Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Sie nahm einen Job als Haushaltshilfe an.

Von dem Jungen, der mit ihr im selben Haushalt arbeitete, wurde Florence schwanger – er leugnete jedoch die Vaterschaft. Florence gebar Zwillinge. Ihren Job verlor sie – nach Hause konnte sie in ihrer Situation auch nicht. Folglich bat sie die Behörden um Hilfe, die sie mit dem Mutter-Kind-Heim Nyubahiriza in Verbindung brachten.

Heute ist Florence 22 Jahre alt, ihre Kinder eineinhalb Jahre. Für sie ist der Zeitpunkt gekommen, zurück in ihre Heimat zu ziehen, und mit ihrer Mutter zusammenzuleben. Die Mitarbeiterin und Psychologin Joelle Vyukusenge kümmerte sich um die Familienzusammenführung und begleitete die junge Mutter mit ihren Zwillingen in den Norden Burundis – auf teils schwer passierbaren Pisten und streckenweise mit dem Motorradtaxi.

Florences Mutter freute sich über die Rückkehr der Tochter – sie hätte nicht mehr damit gerechnet, sie wiederzusehen. Florence ihrerseits versprach, mit der Anschubfinanzierung, die sie erhalten hatte, in Landwirtschaft und Viehzucht zu investieren und somit zum gemeinsamen Haushalt beizutragen.

Wieder vereint

v.l.n.r. Louises Mutter, Louise mit Sohn Benny, Psychologin Joelle Vyukusenge

Louise T. hatte als Kindermädchen in einem Viertel in der Stadt Bujumbura gearbeitet. Der Hausangestellte eines Nachbarn, auf den sie sich eingelassen hatte, leugnete jedoch die Schwangerschaft, als Louise schwanger wurde. Sie suchte Hilfe – und wurde schließlich von Mitarbeitenden der Organisation Terre des hommes in Mütterheim Centre Nyubahiriza gebracht.

Heute ist Louise 20 Jahre alt und Mutter von Benny. Im Heim fühlte sie sich wohl, konnte ihr Leben neu planen und hat im vergangenen Jahr an der Ausbildung in Schneiderei teilgenommen. Dabei entwickelte sie den Wunsch, wieder in ihr Dorf im ländlichen Umfeld von Bujumbura zurückzukehren und mit ihrer Familie zusammenzuleben.

Unsere Mitarbeiterin, die Psychologin Joelle Vyukusenge, hat Louise begleitet und zu ihrem Elternhaus gebracht. Dort erwarteten sie offene Arme und Freude – bei solchen Familienzusammenführungen nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Psychologin Vyukusenge führte ein längeres Gespräch und sicherte sich mit Absprachen zwischen Louise und ihren Eltern ab, dass das künftige Zusammenleben reibungslos funktionieren kann. Louise wird künftig zum Familieneinkommen beitragen können. Die Schneiderausbildung und eine Anschubfinanzierung erlauben es ihr, selbständig tätig zu werden. Außerdem habe sie ein sehr gutes Gefühl dabei, wie Vyukusenge berichtet.

Arbeitskleidung aus der hauseigenen Schneiderei

Die Nähwerkstatt, die die Fondation Stamm in Zusammenarbeit mit Burundikids e.V. eingerichtet hat, produziert aktuell Arbeitskleidung für das Krankenhaus Centre Médical Hippocrate (CMH). Jeder Bereich des Krankenhauses bekommt seine eigene Kleidung, zur besseren Wiedererkennung der unterschiedlichen Abteilungen. Das CMH wird ebenfalls von der Fondation Stamm – mit Unterstützung der Schweizer Partner – betrieben und war als Gemeinschaftsprojekt von Burundikids e.V. und Stiftung burundikids Schweiz implementiert worden.

Für die derzeitige Auftragsarbeit beschäftigt die Näherei neben dem fest angestellten Schneider*innenteam die drei besten Auszubildenden, die vor Kurzem ihre einjährige Ausbildung abgeschlossen haben. Die Schneiderei auszubauen und die Ausbildung für junge Frauen ein Jahr lang intensiv anzubieten ermöglichte eine Finanzierung des Landes Baden-Württemberg im Rahmen der Partnerschaft mit Burundi.

Berufsstart für junge Frauen aus dem Mütterheim

Die Bewohnerinnen des Mutter-Kind-Heims Centre Nyubahiriza im Norden der Stadt Bujumbura wohnen mit ihren Kindern in einem geschützten Umfeld und bekommen alle notwendige Unterstützung für eine neue Perspektive. Einige Mädchen können ihre Schullaufbahn wieder aufnehmen. Andere ziehen es vor, einer Berufsausbildung in Handwerk nachzugehen.

Zwei Mädchen absolvieren seit August eine Ausbildung in einem Frisörsalon im benachbarten Stadtviertel des Heims. Joanna, die mit ihrem Sohn Guy Lunch im Heim wohnt, und Salma, Mutter von Aslam, gehen jeden Morgen zur Arbeit, wo sie gegenseitig an sich neue Frisuren ausprobieren und Produkte sowie Techniken der Frisörhandwerks erlernen. Die beiden Azubis dürfen bereits auch schon Kundinnen mit Zöpfen, mit natürlichem Haar oder mit geglättetem Haar shampoonieren, frisieren und flechten. „Die beiden sind fleißig!“ bestätigt ihre Ausbilderin. „Die Schüchternheit und Angst, am Kunden zu arbeiten, legen sie noch ab“. Im Hintergrund immer dabei: die Babys, die noch gestillt werden wollen. Auch zu Hause im Heim proben die beiden nach der Arbeit weiter, um mehr Sicherheit zu erlangen: an den Haaren der Mitbewohnerinnen.

Evelyne, die seit Kurzem mit ihrer Tochter Kelly Prémisse im Centre Nyubahiriza wohnt, hat sich für eine Ausbildung als Schuhmacherin entschieden. Dafür geht sie täglich, von Montag bis Samstag, einige Kilometer ins Viertel Kamenge. „Ich wollte schon immer Schuhmacherin werden und habe nun endlich die Chance dazu“, sagt die junge Mutter. „Immer, wenn ich als Kind meine Schuhe zur Reparatur bringen musste, schaute ich den Schuhmachern interessiert zu, bis sie fertig waren. Einmal hatte ich kein Geld und habe den Schuhmacher gebeten, mir sein Werkzeug auszuleihen, damit ich meine Schuhe selbst repariere.“ Dass das Metier in Burundi in Männerhand ist, sei ihr egal.

Nach wenigen Monaten Ausbildung kann Evelyne bereits Sandalen aus Kunstleder herstellen. Ihr erstes selbst hergestelltes Paar trägt sie stolz an den eigenen Füßen. Ein weiteres Paar, das sie kürzlich fertiggestellt hat, hängt an der Wand zum Verkauf. Auch darf sie schon an Bestellungen von Kund*innen mitarbeiten. Ein Paar Mini-Sandalen hat Evelyne für ihre Tochter hergestellt. Als nächstes wird sie lernen, mit der Näh- und der Schleifmaschine umzugehen, damit sie unterschiedliche Modelle von Sandalen herstellen kann.