„Wie findest du Burundi?“ Ein Ausflug in die Provinz Ngozi

Sie unterstützt burundikids e.V. schon einige Jahre. 2017 bereiste Barbara Hiller aus Bonn zusammen mit ihrer Tochter Clara Burundi. Ziel war natürlich, die Projekte der burundikids zu besuchen. Bei ihrer Reise kamen die beiden bis nach Ruhororo, mitten in der ländlichen Provinz Ngozi im Norden Burundis, wo die burundikids gemeinsam mit dem lokalen Partner, Fondation Stamm, ein Landwirtschaftsprojekt samt Schule betreiben. Das aktuelle Projekt sieht den Aufbau von Kooperativen vor, unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Ihre ganz persönlichen Eindrücke von der Reise hat Barbara Hiller nun niedergeschrieben und uns zur Verfügung gestellt.

„Wir sind auf dem Weg in die nördliche Provinz Burundis: Nadège [zuständig für die Kommunikation bei der Fondation Stamm], Mathilde [Mitarbeiterin des Projekts in der Landwirtschaft], meine Tochter Clara und ich. Am Steuer sitzt Noah, der Chauffeur der Fondation Stamm. Er kennt diese Strecke genau, trotzdem muss er hoch konzentriert sein. Hinter jeder Kurve kann ein Lastwagen auftauchen, der es mit der Aufteilung der Straße nicht so genau nimmt. Oder ein bergab rasender Fahrradfahrer. Dazu jede Menge Schlaglöcher. Es ist April 2017, und die größte Gefahr auf den Landstraßen Burundis geht vom Verkehr aus. Vor zwei Jahren, nach dem Beginn der politischen Unruhen, war der Weg ins Landesinnere wegen des Risikos überfallen zu werden, zu riskant.

Fahrt ins Risiko heißt ein Dokumentarfilm, den Adama Ulrich über die waghalsigen Fahrradfahrer von Burundi gedreht hat. Zu sehen war er auf Arte.

Davon ist jetzt nichts zu spüren, im Gegenteil, die Geschäftigkeit entlang der Route Nationale 1 ist enorm. Wer hier zum ersten Mal unterwegs ist, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Das Leben spielt sich am Straßenrand ab, die Menschen kochen, reparieren, produzieren und verkaufen. Kinder treiben alte Reifen mit Stöcken vor sich her. Das ist ihr Geschicklichkeitsspiel. Sobald sie das blonde Mädchen in unserem Auto entdecken, halten sie inne und sind erst mal ganz entgeistert. Dann löst sich ihre Starre, sie rennen los und rufen „muzungu, muzungu!“. Das ist die Bezeichnung für „Weißer“ in der Landessprache Kirundi. Kinder auf dem Land bekommen nicht oft Weiße zu Gesicht und schon gar nicht welche in ihrem Alter. Selbst in der Hauptstadt Bujumbura sind Europäer und Amerikaner selten geworden, weil viele Organisationen das Land verlassen haben.

Wo ist das Problem?

Clara ist vierzehn. Als ich sie fragte, ob sie mich nach Burundi begleiten wolle, antwortete sie spontan mit Ja. Jetzt, inmitten dieses Trubels, kommen mir doch manchmal Zweifel, ob die Eindrücke nicht zu viel für sie sind. Dann denke ich daran, dass viele von den Kindern hier niemals die Chance haben, etwas anderes kennenzulernen. Was kann jemand dafür, dass er auf dieser oder auf jener Seite geboren ist? Jedenfalls bin ich froh, dass wir mit den beiden Frauen unterwegs sind. Nadège ist Burundierin, hat aber ihre Jugend in Belgien verbracht, wohin ihre Eltern vor dem Bürgerkrieg der 90er Jahre geflohen sind. Sie spricht nicht nur Deutsch, sie kann auch zwischen den Kulturen vermitteln. Gerade erklärt sie Clara, warum sie nach ihrem Studium zurück wollte in ihr Land und warum sie es trotz allem gut findet, diesen Schritt getan zu haben. Trotz allem, das ist: die schlechte Wirtschaftslage, die Kriminalität, die Stromausfälle, die Tage ohne fließendes Wasser – die Liste ließe sich fortsetzen – mit einem Wort, der tägliche Kampf gegen die Aussichtslosigkeit.

Wir fahren durch ein Dorf und werden langsam. Sofort wird Ware durch die offenen Fenster gereicht. „Auf dem Rückweg, auf dem Rückweg“, sagt Noah ruhig in Kirundi, und macht eine wegwerfende Handbewegung. Unser Ziel ist heute die Provinzhauptstadt Ngozi. Dort werden wir übernachten und am nächsten Tag weiter ins Landesinnere fahren, in den Bezirk Ruhororo, wo die Fondation Stamm ein Ausbildungszentrum betreibt die „Ecole technique de l‘éducation environnementale“ (ETEE). Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal dort und habe burundikids beim Verfassen eines Förderantrags unterstützt. Seitdem hat sich viel verändert. Der Schwerpunkt der Schule liegt nun auf Ressourcenschutz, ein Fachgebiet, das in Burundi dringend gebraucht wird. Denn die Menschen auf dem Land – und das sind fast 90% der Bevölkerung – sind Selbstversorger und ernähren sich von dem, was der Boden hergibt. Weil die Fruchtbarkeit sinkt, wird dies aber von Jahr zu Jahr weniger. So bekannt dieses Phänomen auch ist – hier, inmitten der grünen und saftigen Hügel mit ihren Ölpalmen und Bananenstauden, scheint es unwirklich. Die Temperaturen sind das ganze Jahr über optimal warm – davon können Bauern in Europa nur träumen – wo also ist das Problem?

 

Tausend Hügel

Das Land der tausend Hügel, so nennt sich nicht nur Burundi, sondern auch das Nachbarland Ruanda, aus dem diese Aufnahme stammt. Kleine Parzellen mit Feldfrüchten, dazwischen Eukalyptusbäume und Bananen. Im Tal Reisanbau.

Eine Spirale aus Landknappheit, Mangelernährung und Armut

An dieser Stelle sei es erlaubt ein wenig auszuholen: Boden bildet sich aus Gestein, und das Gestein der Tropen ist alt, viel älter als in der gemäßigten Zone. In den Tropen gab es keine Eiszeit, keine Gebirgsauffaltung und damit keine Erneuerung des Gesteins. Viele Minerale sind bereits verwittert und ausgewaschen, und die Nährstoffe damit verschwunden. Die hohen Temperaturen beschleunigen diesen Prozess. Solange sich tropische Böden unter Wald befinden, bleibt ihre Fruchtbarkeit trotzdem erhalten, denn die Bäume liefern Nährstoffe von oben nach. Das Abholzen aber durchbricht diesen Kreislauf, der obere Boden verarmt und in tieferen Schichten gibt es davon ohnehin zu wenig.

In Industrieländern würde man nun mit Dünger und anderen technischen Mitteln nachhelfen. Für die Bauern in Burundi ist dies zu teuer. Wenn die Ernte auf einem Feld weniger wird, weichen sie auf die nächste Fläche aus. Sofern sie die Möglichkeit dazu haben, denn Zeit für eine jahrelange Brache ist bei der rasch wachsenden Bevölkerung nicht drin. Burundi scheint – wie viele Länder Afrikas – in einer Spirale aus Landknappheit, Mangelernährung und Armut gefangen.

Dagegen anzugehen erfordert Ideen, Mut und langen Atem. Das haben zum Beispiel die Betreiber des Projekts APREO, Wissenschaftler der Universitäten Koblenz-Landau und Butare, Ruanda. Sie entwickeln Anbaumethoden, die den Boden schonen. Einfach müssen sie sein und sie dürfen so gut wie nichts kosten. Mit Verena Stamm, Leiterin der Fondation Stamm, habe ich die Versuchsflächen des Projekts vor zwei Jahren besucht. Butare ist nur wenige Autostunden von Bujumbura entfernt und Ruandas Landschaft ist, wie die Burundis, von vielen Hügeln geprägt. Verena treibt schon lange der Gedanke um, dass es genau diese Kenntnisse sind, die unbedingt in den Schulen und Ausbildungen vermittelt werden müssen. Ich konnte den Kontakt zu APRECO herstellen, und so haben wir uns kennengelernt. Das Projekt hat eine Menge Anregungen zu Agroforst-Bäumen, Kompostierung, Anlegen von Terrassen und organischer Düngung gegeben.

Hügel an Hügel wie auf einer Kinderzeichnung

Am Morgen des nächsten Tages treffen wir Tharcisse, den Leiter des landwirtschaftlichen Betriebs der ETEE und fahren mit ihm zusammen tiefer ins Landesinnere. Der Weg ist nicht mehr asphaltiert, neben der Schotterstraße staut sich das Wasser. Immer noch reiht sich Hügel an Hügel wie auf einer Kinderzeichnung. In den Senken haben sich kleine Sümpfe gebildet, ab und zu sehen wir sogar Reisfelder. Einst war es hier bewaldet, inzwischen ist überall Kulturlandschaft. Die Felder sind klein und die angepflanzten Kulturen oft wie flüchtig hingeworfen und von Bäumen und Bachläufen unterbrochen. Grüntöne in allen Schattierungen.

Als wir auf dem Gelände eintreffen sind alle versammelt: Rund 150 Schülerinnen und Schüler warten auf die Übergabe der Zeugnisse und auf das Ende des Trimesters. Es herrscht rege Betriebsamkeit, trotzdem werden wir herzlich begrüßt und mit allen bekannt gemacht. Das viele Händeschütteln empfinden Clara und ich manchmal als übertrieben. Mit der Zeit lernen wir, wie wir durch freundliches Zuwinken die Prozedur abkürzen und dennoch die Höflichkeit wahren können. Auch der Aufruhr, den der Besuch von Weißen nun mal verursacht, ist für uns gewöhnungsbedürftig. Ich gebe Clara die Aufgabe zu fotografieren – so kann sie sich ein wenig verstecken. Nadège, verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Fondation, dokumentiert ebenfalls.

ETEE

Die „Ecole technique de l‘éducation environnementale“ (ETEE). Blick auf die Schlafsäle. Links die alten, rechts das ganz neue Gebäude.

Bananen konnten bis vor kurzem an eine Brauerei in Ngozi verkauft werden

Tharcisse führt uns über die Felder. Mit seinen Kollegen bewirtschaftet er drei Hektar rund um das Ausbildungszentrum. In Burundi sind die Flächen durch die Weitergabe an viele Kinder zerstückelt. Drei Hektar ist da schon richtig viel Land. Die Landwirtschaft des Zentrums soll sich so gut wie möglich selbst tragen. So wird das Futter für die Rinder nicht mehr zugekauft, stattdessen baut Tharcisse ein spezielles Gras an, das als guter Biomasse-Lieferant bekannt ist und das alle drei Monate geschnitten werden kann: Banagrass (Pennisetum purpureum). Der Mist der Rinder wird als organischer Dünger eingesetzt – so wie es in bäuerlichen Familienbetrieben vor 100 Jahren in Europa auch üblich war. Die Bananen konnten bis vor kurzem an eine Brauerei in Ngozi verkauft werden für die Produktion von Bananenbier, eine lokale Spezialität. Im Zuge der schlechten Wirtschaftslage wurde der Betrieb aber eingestellt und diese Einkommensquelle ist erst einmal versiegt. Der größte Teil der Fläche wird für die Produktion von Bohnen gebraucht. Das muss so sein, denn das Zentrum möchte eigenes Saatgut produzieren. Neben den bestandenen Kontrollen durch die nationale Behörde, ist ein Mindestmaß an Fläche notwendig. Tharcisse erwartet die erste Ernte Anfang Juni. Das größte Problem wird sein, die Flächen mit genügen Wasser zu versorgen, denn ab Mai beginnt die Trockenzeit.

Bild 5: Felder ETEE

Die Bohnenfelder der ETEE sind Agroforstbäumen (hier eine Art aus der Familie der Leguminosen) und Bananen gemischt. Leguminosen reichen den Boden auf natürliche Weise mit Stickstoff an.

Nadège

Nadège Horimbere, verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit bei der Fondation Stamm, dokumentiert.

Sich der Sonne und der Natur auszusetzen gilt hier nicht als Genuss

Clara ist fasziniert von den Kindern, die uns auch hier in sicherer Entfernung folgen und neugierig beobachten. Ob sie nicht in die Schule gehen, will Clara wissen. Die Antwort ist vage, also eher nein. Es gibt zu wenig Schulen und zu wenig Lehrer. Auf dem Land sind die Wege weit, manche Kinder müssen im Haushalt und bei der Landwirtschaft helfen. Immerhin, das Schulgeld für sechs Jahre Grundschule ist in Burundi inzwischen abgeschafft, so dass wenigstens dies kein Hindernis mehr darstellt.

Überall auf dem Gelände sind Renovierungsarbeiten im Gang – neue Klassenräume, ein neuer Schlafsaal. Wir bewundern die gerade fertiggestellten „modernen Toiletten“. Es sind Steh-Toiletten. Clara hat so etwas noch nie gesehen, aber dass Schul-Toiletten ein wichtiges Thema sind, wundert sie überhaupt nicht. Genau wie zu Hause. Wir sehen den Garten für die Küche, die Ställe mit den Rindern, den Wasserspeicher und auch das Sorgenkind, die Pumpe, die das so dringend benötigte Wasser von einer Quelle bis zum Zentrum schicken soll. Als ich höre, dass die Quelle abseits in einem kleinen Tal ist, freue ich mich auf einen kleinen Fußmarsch, aber nichts da: Noah steht mit dem Wagen schon bereit, und alle außer mir finden das völlig normal. Sich der Sonne und der Natur auszusetzen gilt hier nicht als Genuss. Tharcisse und sein Kollege Emile fahren mit dem Motorrad, ich beneide sie.

Tal

In diesem Tal befindet sich eine Quelle. Über eine Pumpe versorgt sie die gesamte ETEE.

Ein paar Meter müssen wir dann doch zu Fuß zurücklegen, bis wir an einen malerischen Ort gelangen. Die Quelle entspringt zwischen sanften, grasbewachsenen Hügeln. Es ist tatsächlich natürliche Savanne ohne jede Spur von menschlicher Nutzung – abgesehen von der Pumpe und dem Wassertank. Wie spannend wäre es, hier weiter querfeldein zu gehen und die Landschaft kennenzulernen. Gut, dass niemand merken kann, mit welchen Ideen ich mich beschäftige! Abgesehen von allen anderen Schwierigkeiten, die ein solches Unterfangen hätte, ist es gar nicht so einfach, hier zu laufen. Man kann direkt spüren wie fragil der Boden ist. Unter unseren Füßen bröselt er sozusagen weg. Tharcisse und Emile haben andere Sorgen: die Pumpe funktioniert nicht. Zurzeit tragen sie das Wasser in Eimern zum Wasserspeicher bis zum Zentrum, dadurch ist bereits ein Trampelpfad durch das Gras entstanden.

Die Rückgabe der Kredite funktioniere, sagen alle

Wir haben noch einen Termin vor uns und verabschieden uns vom Zentrum. Wir fahren zum „Hügel“ Nihigo. Tatsächlich heißt die kleinste Verwaltungseinheit in Burundi Hügel. Entsprechend ist es die Chefin des Hügels, die dem Gebiet vorsteht (frz. chef de colline). Jetzt kommt die Stunde von Mathilde. Sie koordiniert ein Projekt, das eine Art Sparkasse für die Bauern aufbaut. Auf dem Land gibt es keine Banken und wenn, dann würden sie vermutlich an Kleinbauern keinen Kredit geben. Die aber brauchen genau dies, um Investitionen zu tätigen und ihren Betrieb zu entwickeln. Wir begeben uns an eine Art Versammlungsort mit Dach. Wände gibt es nicht, aber Bänke zum Sitzen. Die Bauern haben sich mit bunten Umhängen und Tüchern schick gemacht. Jemand bringt eine Kasse. Dort sind eine Menge Zettel aufbewahrt – die Buchhaltung, mit der Information wer was eingezahlt hat. Das Geld selbst wird woanders aufbewahrt. Die selbstverwaltete Bank hat eine ähnliche Struktur wie ein eingeschriebener Verein in Deutschland; es gibt Vorsitzende und einen Kassenwart. Den Schlüssel für die Kasse hat aber nicht der Kassenwart, sondern jemand anderes – Vieraugenprinzip. Der Plan der Fondation Stamm ist es, dieses Sparsystem auf eine höhere Ebene zu bringen und eine richtige Kooperative daraus zu machen. Damit die Bauern einen echten Sprung nach vorne machen können, das heißt Gewinn erzielen und Einkommen haben. Das geht nur, wenn das Sparvolumen höher und die Investitionen rentabler sind. Eine richtige Kooperative macht nicht an der Grenze eines Hügels halt, sondern betreibt Handel in der gesamten Provinz. Wenn es gut läuft, kann sie ihre Aktivitäten sogar auf nationaler Ebene betreiben. Nach einer Ansprache beginnen einige der Anwesenden zu erzählen, was sie mit ihrem Kredit gemacht haben, alles in Kirundi, natürlich, ich bin darauf angewiesen, dass jemand übersetzt. Der eine hat Ziegen gekauft – eine gute Rasse – ein anderer Land, die Hügel-Chefin selbst hat einen kleinen Handel aufgezogen. Die Rückgabe der Kredite funktioniere, sagen alle.

Diesmal haben wir noch einen Passagier an Bord: Noah hat sich ein Huhn gekauft

Während dieser Begegnung wird mir klar, wie weit entfernt wir voneinander sind, die Leute vom Dorf und wir Europäer. Abgesehen von der Sprache, die ich nicht verstehe – wie lange würde es dauern, bis ich die Gesten und die Ausdrucksweise begreifen würde? So dass ich die Stimmung der Menschen einschätzen könnte? Wie ist es andererseits für die Dorfbewohner, dass wir hier mit einem tollen Auto hereinrauschen, mit unseren elektronischen Geräten herumspielen und dann rasch wieder verschwinden? Zum Glück gibt es Mathilde. Sie strahlt Verbindlichkeit aus. Ihr Umgang mit den Leuten verrät, dass sie Zugang zu ihnen hat. Die Gespräche finden auf Augenhöhe statt, das meine ich doch erkennen zu können, und reduzieren sich nicht auf Informationen von Geldgeber zu Empfänger. Der Boden für die Arbeit an einer Kooperative ist in Nihigo jedenfalls bereitet.

Wir müssen uns auf den Weg machen, damit wir noch bei Dämmerung in Bujumbura eintreffen. Niemand möchte bei Dunkelheit auf der Landstraße sein. So fremd ich mich auch fühle, so leid tut es mir doch, diese schöne Gegend verlassen zu müssen. Kurze Zeit später sind wir auch schon wieder auf der RN 1, diesmal haben wir noch einen Passagier an Bord, denn Noah hat sich irgendwo ein Huhn gekauft. Es sitzt im Kofferraum und gackert leise vor sich hin. Bald wird es in Noahs Hinterhof umherscharren und die Familie mit Eiern versorgen. Wir nehmen Kurs in Richtung Westen und passieren die Stelle, wo die Straße fast den Wald des Nationalpark Kibira berührt. Hier sind wir rund 2.000 Meter hoch, und man könnte die Luft fast als kühl bezeichnen. Vor uns rennen junge Männer einem Lastwagen hinterher und versuchen aufzuspringen. So kommen sie ein Stück weiter, vielleicht sogar bis hinunter nach Bujumbura. Bald tauchen die Lichter der Stadt im Tal vor uns auf. Die Wasserfläche des Tanganjika-Sees schimmert kaum wahrnehmbar, aber eben doch in einem etwas anderen Blau als der Horizont.

Blick auf Bujumbura am Tanganiyka.

Mathilde dreht sich zu Clara um und fragt: „Wie findest du Burundi?“ Clara zögert. Für diese Frage hat sie sich eine Antwort zurecht gelegt, aber Mathilde würde sich nicht mit ein paar höflichen Floskeln zufriedengeben. „Ich finde es ein bisschen chaotisch“, sagt sie schließlich zögernd aber wahrheitsgemäß. Mathilde und Nadège brechen in schallendes Gelächter aus: „Was, nur ein bisschen? Es ist total chaotisch!“ Mit dieser Aussage können wir alle leben und Clara ist erleichtert.“

Barbara Hiller