Bei einer Burundireise im Januar 2015 hatte ich Gelegenheit, verschiedene Projekte der Fondation Stamm zu besichtigen. Verglichen mit anderen Einrichtungen war ich absolut beeindruckt. Verena Stamm lud uns ein, mit ihr nach Gitega zu fahren, um dort die ETO, eine berufliche Schule, anzusehen. Die rund zweistündige Fahrt mit Verena war äußerst informativ, man merkte, dass Verena einen guten Überblick über ihre Projekte und über die Strukturen im Land hat. Sie ist eine geradlinige und sehr strukturierte Frau, was man in diesem Land nicht sehr häufig antrifft.

Sowohl baulich als auch organisatorisch ist die berufliche Schule, an der Veterinäre und IT unterrichtet werden, ein Lichtblick gemessen daran, was wir bislang gesehen hatten. Es wird praxisorientierter gearbeitet als an staatlichen Schulen. Auch wenn die Klassen für deutsche Verhältnisse sehr groß sind, wirkte alles gut organisiert. Für die Veterinäre wurden Hühner und Hasen gehalten, Verena besprach mit der Schulleitung die Anschaffung einer Kuh. Auf der provisorisch anmutenden Sportanlage fand Sportunterricht statt, Schüler joggten auf einer Laufbahn und spielten Fußball. Die IT-Klasse flexte im Hof Baustahl. Da bei dieser Aufgabe keinerlei Schutzbrillen vorhanden waren, versprach Verena der Klasse spontan, welche zu besorgen. Die Klasse bejubelte diese Entscheidung, in Deutschland hätte das ein müdes Gähnen hervorgebracht. Man hatte den Eindruck, Schüler und Lehrer schätzen die ETO. Die Lehrer waren sehr daran interessiert, sich mit uns über Bildungsformen in Deutschland oder der Schweiz zu unterhalten, und das in fließendem Englisch. Wir hatten Englischlehrer an staatlichen Schulen kennengelernt, dort war eine Konversation auf Englisch kaum möglich.

Auf dem Rückweg statteten wir dem Waisenhaus in Muramavya einen kurzen Besuch ab, deren Leiterin krank geworden war. Die Kinder bejubelten unsere Ankunft. Die Mitbringsel wie Luftballons, Seifenblasen, Springseil und Gummitwist bereiteten viel Freude. Auch über Kleidungsstücke waren sie überglücklich, Neid konnten wir nicht feststellen. Drei der Kinder sind Aidswaisen und selbst infiziert, es gibt auch Halbwaisen oder verstoßene Kinder. Dennoch wirkten sie äußerst fröhlich, sie können sich glücklich schätzen, in diesem Heim untergekommen zu sein. Verena beeindruckt uns sehr durch ihre bodenständige Art und auf welche Weise sie mit Kindern umgeht.

Einige Tage später nahm uns Verena mit zum Krankenhaus in Kajaga. Wenige Tage zuvor habe ich mit großem Entsetzen eine andere Krankenstation besichtigt. Wir waren absolut erstaunt, wie vorbildlich diese Klinik für burundische Verhältnisse ausgestattet und geführt wird. Hier roch es nach Desinfektionsmitteln und es gab tatsächlich Krankenbetten mit Nachttisch, vermutlich in Europa ausgemustert. Für Burundi ist das sicher eine gute Ausstattung, wenn auch ein Europäer sich nur im Notfall in solch eine Klinik begeben würde. Wie in anderen Kliniken muss jeder seine Rechnung für die Behandlung selbst bezahlen, daher bleiben Mittellose häufig fern, wenn sie krank sind. Nur Kinder unter 5 Jahren sind generell von den Kosten befreit. Verena erzählte von einer ledigen jungen Mutter, die kurz zuvor entbunden hatte und die Kosten nicht tragen könne. Dies würde eben als Verlust berechnet. Die junge Frau hatte großes Glück und konnte anschließend im Mutter-Kind-Heim in Mutakura untergebracht werden.

Der Kreißsaal mit dem alten Gynäkologenstuhl hat mit europäischen Kliniken zwar eine gewisse Ähnlichkeit, aber es fehlt an Behaglichkeit und Endbindungshilfsmittel zur sanften Geburt um die Geburtsfolgen zu lindern. Vermutlich sind das die geringsten Sorgen in einer burundischen Klinik. Es gibt moderne Ultraschallgeräte und sogar einen Brutkasten für Frühchen! Wir waren begeistert und kamen zu dem Schluss, im Notfall diese Klinik aufzusuchen. Die neue leitende Ärztin war erst seit wenigen Tagen im Dienst und machte einen motivierten Eindruck.

Die benachbarte Schule EPCM ist ein absolutes Musterbeispiel an Ausstattung. Deutsche Firmen haben ihr ausgemustertes Inventar z.B. für das Chemielabor zur Verfügung gestellt. Auch gibt es einen kioskartigen „Bäcker“ im Hofcontainer, der leckere Teigbällchen recht unkonventionell in Fett ausbäckt. Wenn jemand gute Ideen hat, fleißig ist und das an Verena heranträgt, ist man an der richtigen Adresse. Die Anlage wirkt gepflegt, alle Schüler tragen saubere Schuluniformen und Schuhe. An anderen Schulen haben wir viele Schüler verdreckt und barfuß gesehen.

Die Gebäude der EPCM wirken solide gebaut, Sportunterricht findet im staubigen Schulhof statt, nachdem zum Aufwärmen die Schule umrundet wurde. Selbst in der Grundschule wirkten die Kinder offener und nicht eingeschüchtert, was wir an anderen Schulen beobachten konnten. In Kajaga haben wir keinen Lehrer gesehen, der einen Stock hatte – an anderen Schulen schon. Einschüchterungen und der absolute Frontalunterricht ohne Gruppenarbeit und Antworten nur im Chor sind leider noch weit verbreitet in Burundi. Laut Verena kann der dritte Bauabschnitt der Schule hoffentlich in diesem Jahr gebaut werden, so wird es noch weitere Klassenzimmer geben.

Für einen Besuch im Straßenkinderheim fehlte leider die Zeit, aber wir begleiteten Noémie, eine deutsche Freiwillige, die für 4 Monate in dem Straßenkinderheim und im Mutter-Kind-Heim u.a. Deutsch unterrichtet, in letzteres nach Mutakura. Bei der Busfahrt scheint die Armut mit jeder Station zuzunehmen, armselige Hütten, matschige Wege und vermüllte Straßengräben machen es deutlich. Ein Steg dient als Zugang zum bewachten Tor des Mutter-Kind-Heims zu einem kleinen, kargen Innenhof. Die spärlich möblierten Räume, in denen mehrere Mütter gemeinsam mit ihren Kindern schlafen, wirken auf Europäer beklemmend. Der Standard ist bewusst niedrig gehalten, damit sie bei ihrer Rückkehr in ein selbstständiges Leben nicht ein zu hohes Niveau vermissen, das sie möglicherweise nie aus eigener Kraft in diesem Land erreichen können. Eine freundliche Heimmutter betreut die Kinder während die noch jungen Mütter ihren Schulabschluss nachholen.

Die Frauen, die zu alt für die Schule sind, können auf einigen fußbetriebenen Nähmaschinen eine Schneiderausbildung absolvieren. Danach versucht man passende Jobs für die teils sehr jungen Frauen zu finden, damit sie den eigenen Lebensunterhalt für sich und das Kind verdienen können. Auch hier erfreuen Seifenblasen, Luftballons und Wandsticker für die Schlafräume die jugendlichen Mütter und Kinder gleichermaßen. Das Springseil wurde von den Müttern geschickt eingesetzt, es gab Freudengesänge zu Ehren der „Muzungus“. Sie alle strahlen Zufriedenheit aus, denn die Anlage ist für die Frauen mit ihren Kindern ein sicherer Zufluchtsort. Leider akzeptieren große Teile der burundischen Gesellschaft keine ledigen Mütter, selbst von der eigenen Familie werden sie verstoßen. Hier sind sie jedenfalls sicher aufgehoben und werden gut versorgt.

Bei anderen, vergleichbaren Hilfsprojekten in Burundi reicht meine Einschätzung von entsetzt bis ganz ordentlich. Häufig fehlte es an kompetenter Führung. Einige Male musste ich beobachten, dass mit Kindern grob umgegangen wird, ob im familiären Bereich oder in Schulen, Waisenhäusern u.dgl. In Einrichtungen der Fondation Stamm war das Gegenteil der Fall. Die Projekte der Fondation Stamm fallen durch den geregelten Ablauf und transparente Strukturen auf, vielleicht ist ein Hauch von deutscher Gründlichkeit dabei. Die Menschen wirken herzlich und motiviert, von Einschüchterung ist nichts festzustellen.

Silke Mutter

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