Elena Herrmann mit Kenny im Kinderheim Uranderera

Acht Tage in einer anderen Welt: Burundi

Elena Herrmann, einer der Motoren der Partnerschaft der Europäischen Schule Karlsruhe (ESK) zur EPCM, war – wie ihre Kollegin Marie-Claude Leser – bei der kleinen Delegation in Burundi dabei. Zurück in Deutschland, die Gedanken sortiert, schreibt sie uns ihre Eindrücke…

„Am Abend des 28.05.2011, um 22.30 Uhr, war es endlich so weit: meine Koffer mit den von Eltern/Schule/Freunden gespendeten Kleidungsstücken, Büchern, Geschenken und Medikamenten waren gepackt, und ich konnte endlich zur Ruhe kommen. Morgen Abend werde ich in Bujumbura, der Hauptstadt von Burundi sein. Was erwartet mich dort? Werde ich alles verstehen können und auch verkraften? Viele Fragen hatte ich. Herr Schnitzer [Hausmeister der ESK] hatte uns, meinen Reisegefährtinnen Marie-Claude, Stefanie und mir, angeboten, uns zum Flughafen nach Frankfurt zu fahren, denn wir hatten 138 kg zusammen in unsere Koffer gepackt…

Am Sonntag, dem 29.05., um 4.30 Uhr, wurden wir abgeholt, danke Herr Schnitzer! Wir flogen von Frankfurt nach Brüssel, und von dort mit einem Direktflug weiter nach Bujumbura. Dort waren wir pünktlich um 19 Uhr, und nach den einfachen Zollformalitäten suchten wir hoffungsvoll Philipp, der uns abholen wollte. Die Freude des Wiedersehens mit ihm war groß, und dank des Ansporns unseres Direktors, Herrn Hoyem, waren wir endlich im angenehm warmen Bujumbura angekommen. Die Unterbringung im Gästehaus „Agasaro“ war sehr einfach, aber gemütlich. Nun waren wir bereit, bei einem frischen Drink mit Philipp, Gespräche und Programmbesuche für die nächsten Tage zu erfahren und zu planen, und neugierig zu werden auf unser Projekt „Ein Lehrer für Burundi“, den Besuch in der Ecole Polyvalente Carolus Magnus.

Montag, 30.05.2011. Nach dem Frühstück besuchten wir das Büro der Fondation Stamm, dort wurden wir sehr herzlich empfangen von Verena und ihren Mitarbeitern. Wir fuhren mit dem Auto, begleitet von Verena und Philipp, zur Schule „Ecole Polyvalente Carolus Magnus“. Die ersten Eindrücke des täglichen Lebens, die grüne Landschaft, die Berge im Hintergrund von Bujumbura, die wir während der Fahrt sahen, überraschten mich. Viele Frauen waren zu Fuß unterwegs, sehr sicher trugen sie ihre großen Körbe auf dem Kopf, die Fahrräder waren so beladen, dass wir uns fragten, wie es möglich war, sie zu bewegen. Viele winkten uns freundlich zu. Waren diese farbenfrohen Bilder das tägliche Leben in Burundi? Endlich kamen wir zur Schule, die von ca. 800 Schülern insgesamt besucht wird, verteilt auf Kindergarten, Grundschule und Oberschule. Wir konnten uns in den Klassen der drei Schularten umsehen. Die Klassen sind groß und übersichtlich, werden aber auch von jeweils ca. 45 Schülern besucht.

Dem Platzmangel im Kindergarten wurde mit einem offenen Klassenzimmer versucht zu begegnen, die Lösung ist gut gelungen. Wir erfuhren, dass der Bau noch nicht abgeschlossen ist, neue Räume werden dringend benötigt und eine Finanzierung wird zwingend gesucht. Die Gesamtkosten werden sich auf 90.000 € belaufen, 45.000 € könnten von einer bekannten Zeitung übernommen werden, für die restlichen 45.000 € werden Sponsoren gesucht.

Elenas Kollegin Marie-Claude mit Grundschuldirektor Désiré

Die Direktoren der Grundschule und Oberschule standen offen für Gespräche, es wurde die Notwendigkeit einer Fortbildung für sie und ihre Lehrer angesprochen, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern und neue Methodiken kennen zu lernen. Diese Weiterbildung wäre z.B. möglich durch eine Einladung eines Lehrers aus Burundi nach Karlsruhe oder durch den Besuch freiwilliger Lehrer aus der ESK in der Schule in Bujumbura. Sie sind herzlich eingeladen.

Die vielen Geschenke und Briefe der ESK wurden mit Freude entgegengenommen, und wir erhielten von Burundi-Schülern auch ihre selbst gebastelten Geschenke, um sie nach Deutschland mitzunehmen. Viele Fragen wurden uns von den Schülern gestellt, eine besonders häufig: „Wie kalt ist es im Winter in Deutschland, und was zieht man dann an?“ Denn in Burundi kennt man keine Winter!

Durch meine persönliche Sicht in die Arbeitsweise der Schule fühle ich mich überzeugt von der Notwendigkeit des Projekts „Ein Lehrer für Burundi“, und werde es weiterhin unterstützen. Das Geld für Bildung ist hier auf jeden Fall gut angelegt mit dem Ziel, die Zukunft dieser Kinder zu verbessern und zu sichern.

Mit vielen winkenden Händen von den Schülern verabschiedet verließen wir nach drei Stunden die Schule. Auch unterwegs sahen wir Kinder in der Uniform der Schule, Kinder, die alleine viele Kilometer nach Hause liefen.

Eine kurze Erholungspause und ein Mittagessen am Strand des Tanganjika-Sees waren geplant. Ich war so überrascht, Sandstrand, blaues Wasser und Palmen zu finden, für einige Zeit ließ mich dieses Ansichtskarten-Panorama alles vergessen, und ich konnte die Umgebung genießen. Nachmittags waren wir in der deutschen Botschaft eingeladen. Um 15.30 Uhr pünktlich empfing uns der deutsche Botschafter, Herr Weiß. Nach einer guten Stunde verließen wir die Botschaft, immer noch voller Optimismus trotz der nüchternen Darstellung der Problematik in diesem Land. Für die guten Ratschläge des Herrn Botschafters Weiß bedankten wir uns.

Dienstag, 31.05.2011. Beim Besuch mit Verena und Mitarbeiterin Chanelle auf dem Markt wurden wir mit dem täglichen Leben der Burunder konfrontiert. Chanelle, die sich gut auskannte, führte uns durch den Großmarkt, auf dem man alles kaufen kann. In den engen Gassen mit bunten Obstständen, gefüllt mit verschiedenen Arten von Bananen, riesigen Papayas, Avocados und Gemüse, Fische aus dem Tanganjika-See, boten Frauen, Kinder und Männer laut ihre Waren an. Nachdem wir das riesige Angebot von bunten und wunderschönen Stoffen bewundert und einige Einkäufe für unseren Burundi-Markt [in Karlsruhe] getätigt hatten, verließen wir den lebhaften Markt und suchten nach der einzigen Buchhandlung der Stadt, der „Librairie S.Paul“. Einige schöne burundische Holz- Handwerksarbeiten kauften wir. Bei der „Exposition d’Art Africaine“, die wir auch besuchten, fanden wir noch einige Stücke für den Verkauf in Deutschland.

Mittwoch, 01.06.2011. Für heute war ein Besuch der Krankenstation „Centre Medical Hippocrate“ vorgesehen, die seit kurzer Zeit fertig gestellt ist und sich bei der Schule Carolus Magnus befindet. Zusätzlich zu den verschiedenen Untersuchungsräumen und Labors für die Ärzte stehen weiße, gekachelte Krankenzimmer zur Verfügung. Die Betten wurden vom Städtischen Klinikum Karlsruhe gespendet. Eine eigene Wäscherei ist auch vorhanden. Wie uns Verena erklärte, werden die Patienten nicht mit eigener Wäsche aufgenommen wie üblich, sondern erhalten die Wäsche vom Krankenhaus, die auch dort gewaschen wird, um Infektionen zu vermeiden. Ein OP-Saal wird fertig ausgestattet. Viele Patienten und Kinder warteten geduldig draußen auf die Untersuchung. Laut Verenas Aussagen sind die Untersuchungskosten minimal. Niemand wird, wenn er nicht bezahlen kann, fortgeschickt. Die von uns mitgebrachten und durch einige Ärzte aus Karlsruhe gespendeten Medikamente wurden gleich gebraucht. Dieses Projekt scheint gut durchdacht und wird von burundikids schweiz unterstützt.

Die Gelegenheit, mit Verena am Nachmittag die Geschäftsstraße im Zentrum Bujumburas, besuchen zu dürfen, nahmen wir neugierig an. Die Straße war bunt, hektisch farbenfroh, und viele umher laufende Menschen begegneten uns überall. Außergewöhnlich, aber praktisch fanden wir die Möglichkeit, nach dem Stoffkauf Kleider, Hemden oder Tischdecken wunschgemäß gleich genäht zu bekommen. Die Stoffgeschäfte boten durch ihre Näher/innen diese Dienste an.

Donnerstag, 02.06.2011. Wir besuchten um 10 Uhr die Messe in der Kathedrale. Viele Frauen waren anwesend, sie trugen bunte festliche Kleidung und füllten mit ihren Familien die Kathedrale. Die Gesänge in der Landessprache begleiteten zwei Stunden lang die Messe.

Ein Besuch des Kinderheims „Centre Uranderera“ (Viertel Mutakura) und im Mutter- und Kindheim „Centre Nyubahiriza“ waren auf unserem Programm für den Nachmittag. In Centre Uranderera sind ca. 35 Kinder im Alter von Babys bis 18 Jahren untergebracht, die teilweise Voll- oder Halbwaisen sind. Trotz der traurigen Schicksale, die diese Kinder erlebt haben, machten sie auf uns einen ausgeglichenen Eindruck. Ruhig und neugierig kamen sie auf uns zu, und wir unterhielten uns mit einigen dieser Kinder. Verena wünscht sich weitere Verbesserungen der Baumaßnahmen für diese Einrichtung, die jährlichen Kosten betragen 17.000 Euro. Mein spontaner Gedanke war, wie kann ich hier noch weiter helfen? Wo finde ich Spender in Deutschland?

Sania

Über das Mutter- und Kindheim hatte ich einiges gehört. 20 junge Frauen mit ca. 20 Kindern leben hier zusammen. Sie freuten sich sehr über die von ESK-Eltern gespendeten und von uns mitgebrachten Babykleider. Die jüngste Mutter ist 14 Jahre alt. Oft sind diese Mädchen Opfer von Vergewaltigung. Wenn sie schwanger werden, werden sie von der Familie verstoßen. Im Heim haben sie die Möglichkeit, die Schule zu besuchen, während ihre Kinder im Kindergarten sind. Einige Mädchen nehmen an einer Ausbildung zur Schneiderin teil. Schöne Näharbeiten werden hergestellt, wie z.B. Puppen, Decken, Tischsets, Weihnachtsengel, die dann in Deutschland verkauft werden. Derzeit hat eine junge Frau aus dem Mutter- und Kindheim ihre Ausbildung zur Buchhalterin abgeschlossen und arbeitet bei der „Fondation Stamm“, ihre Tochter Sania, 4 Jahre alt, besucht den Kindergarten der Ecole Polyvalente Carolus Magnus.

Die Frauen kochten für uns ein leckeres Mittagessen aus Fleisch, Reis und Gemüse. Alle zusammen aßen wir diese schmackhafte Mahlzeit und freuten uns über den Nachtisch aus frischen Ananas und Bananen. Einige Frauen führten stolz traditionelle Tänze vor. Es freute uns zu erfahren, dass Sania und ihre Mutter das Heim verlassen werden und eine eigene Wohnung beziehen können. Gegen 18 Uhr verließen wir schweren Herzens diese Einrichtung. Decken, Puppen, Sets und sogar eine Decke, die von einer Lehrerin der ESK bestellt worden war, konnten wir mitnehmen.

Freitag, 03.06.2011. Die Fahrt zum landwirtschaftlichen Projekt in Ngozi dauerte ca. drei Stunden von Bujumbura nach Norden, Ruanda war nicht mehr weit weg. Die grüne Landschaft ging an uns vorbei, und wir sahen viele Tee- und Kaffeeplantagen, und auf den Reisfeldern arbeiteten viele Frauen. Abgelegene Dörfer sahen wir und fragten uns, ob die Kinder, die hier lebten, zur Schule gingen? Viele wahrscheinlich nicht, denn die Stadt oder größere Orte liegen weit weg. Bei einem kurzen Zwischenstopp mit dem Auto fragten uns die vorbeilaufenden Kinder, ob wir ihnen nicht unsere Plastikflaschen geben wollen, sie würden sie als Trinkflasche benutzen.

Die Strassen waren sehr beschwerlich, nicht mehr geteert, unser Fahrer fuhr sicher gut, aber zu schnell, denn wir waren zu spät und sollten vor der Dunkelheit aus Sicherheitsgründen wieder zurück in Bujumbura sein. Endlich waren wir am Ort und sehr neugierig. Das Heim ist sehr einfach, aber sauber und einladend. Einige Jungen spielten miteinander, es war ein Mühle-Spiel, wir konnten beobachten, wie geschickt und schnell sie zusammen spielten. Bei ihnen hätte ich keine Möglichkeit gehabt, zu gewinnen. Auch hier interessierten sich die Kinder dafür, woher wir kamen und wie wir in Deutschland leben. Bald hieß es weiter fahren zu den Feldern des landwirtschaftlichen Projekts. In ca. einer halben Stunde waren wir vor Ort.

Wieder waren wir überrascht und Verena stolz auf ihr Lieblingsprojekt. Ein Veterinär, der dort tätig ist, begleitete uns in den Stall zu prächtigen Kühen und Kälbern. Weiter ging es zu den schon gut legenden Hühnern, deren Eier verkauft werden. Ziegen liefen meckernd in ihren Gehegen. Große Ananas-Felder und viele Bananenbäume, behangen mit reifen Früchten, waren ringsum zu sehen. Eine Veterinärausbildung kann bald angeboten werden. Die Schule für dieses Projekt ist schon gebaut, es fehlt noch das Mobiliar. Wird unser nächstes Projekt heißen „Schulbänke für das Landwirtschaftprojekt“?

Auf der Rückfahrt von Ngozi nach Bujumbura

Gegen 16 Uhr war es dann soweit, wir mussten wieder den beschwerlichen Weg zurück fahren. Uns begegneten viele Frauen, die von den Feldern nach Hause liefen. Sie trugen Holz auf dem Kopf, und ihre Babys auf dem Rücken. Verenas Kommentar dazu war, dass das Leben der Frauen in Burundi sehr hart sei, und sie viel innerhalb der großen und kinderreichen Familie leisten müssen, vor allem auch körperlich. Wir sahen auf der Strecke auch kleine Kinder, die schwere Wasserkanister von der Wasserstelle nach Hause tragen mussten.

Samstag, 04.06.2011. Straßenkinder im „Centre Birashodoka“
Mit einem Ärzteehepaar, welches drei Wochen lang freiwillig in der Krankenstation arbeiten wird, fuhren wir in das „Centre Birashoboka“ für Straßenkinder. Dieses Heim beherbergt 74 Kinder zwischen 9 und 21 Jahren. Diese Kinder haben vorher auf der Straße gelebt, sie wurden von ihren Familien verstoßen oder sind von dort fortgelaufen. Wir wurden begrüßt mit dem berühmten Burundi-Trommel-Wirbel, und sie zeigten uns ihre traditionellen und naturverbundenen Bräuche durch Tanz und Gesang. Wir wurden eingeladen, mit zu trommeln, und fanden es gar nicht so leicht, die Kraft und die Ausdauer der Jugendlichen nachzuahmen. Alle Kinder müssen täglich zur Schule gehen, und viele besuchen auch die höhere Polyvalente. Verena Stamm legt großen Wert auf eine gute Schulausbildung und feste schulische Erziehungsmaßnahmen, die nicht immer leicht zu vertreten sind bei den Kindern. Bei einer Runde mit gespendeten erfrischenden Cola- und Fanta-Getränken konnten wir interessante Gespräche führen, die Jugendlichen waren sehr an unserer Lebensweise in Europa und Deutschland interessiert. Viele Schicksale, Berichte über Kindersoldaten erfuhren wir, trafen einen jungen Mann, dessen Gesicht durch einen Unfall mit Verbrennungen entstellt war, und der seit Kindertagen an epileptischen Anfällen leidet. Dieser junge Mann zeigte uns, wie man wunderschöne Körbe flechten kann. Verena erzählte, dass sich eine Österreicherin dieses Jungen angenommen habe und ihm ein Stück Land mit zugehörigem Haus kaufen möchte, damit er und seine Familie zusammen leben können. Natürlich wird auch dieses Vorhaben von der Fondation Stamm begleitet.

Sonntag, 05.06.2011. Parc Naturel
Zum Abschluss möchte Verena uns noch in den Park Naturel einladen. Sie wollte uns die Savanne, Nilpferde und Vögel zeigen. Sie erzählte uns, dass am Ufer des Flusses zahlreiche Nilpferde seien, die man näher beobachten könne. Nach einem Fußmarsch von über einer Stunde auf einem naturbelassenen Pfad kamen wir am Ufer an eine ihr bekannte Stelle an der Mündung zum Tanganjika-See. Die Enttäuschung war groß, die Nilpferde ließen sich nur von weitem sehen, und nur mit einer guten Kamera konnten wir sie heranholen. Verschiedene Vögel mit eigenartigen Nestern konnten wir beobachten und eine wunderschöne Gazelle lief vor uns her. Der Rückmarsch in der üppigen Vegetation und unter der noch wärmeren Mittagssonne war mühsam und die Enttäuschung war uns anzusehen. Aber es war trotzdem eine interessante Exkursion.

Nach dem späteren Mittagessen und kurz vor 18 Uhr mussten wir uns von Philipp leider verabschieden. Danke Phil!

Verena und ihr Mann begleiteten uns zum Flughafen, dankend und traurig verabschiedeten wir uns. Sie haben uns mit Geduld viel von diesem wunderschönen Land Burundi gezeigt und uns geholfen, zu verstehen. Ich sage „Auf Wiedersehen Burundi“!

Viele Bilder, Gedanken, traurige und lustige Momente habe ich aus Burundi mitgenommen, einige habe ich hier beschrieben, viele Eindrücke muss ich noch verarbeiten. Die Armut dort ist groß, die Menschen aber begegneten mir freundlich und ich weiß nicht, ob wir in unserem Wohlstand glücklicher sind!“