Einmal Burundi und zurück

Ein Bericht von Robert Leitner

Im Februar 2010 hatte ich eine Kurzreise nach Burundi gemacht. Ich wollte mir die Projekte der Fondation Stamm einmal „live“ ansehen, andererseits wollte ich natürlich auch Burundi als Reiseland kennen lernen. Was macht man in Burundi, was kann man erleben, was lernen? Zuallererst, was man nicht finden und erwarten sollte, sind ausgeprägte touristische Infrastrukturen und die üblichen Annehmlichkeiten durchorganisierter Afrikareisen, wie vielleicht in Kenia oder Tansania. Für Burundi brauchen Sie ein bisschen mehr Abenteuerlust. Was sie dann aber finden werden, ist ein ungeschminktes Land mit Narben und Herausforderungen, aber auch mit sehr charmanten und engagierten Menschen und einigen wirklich atemberaubenden Erlebnissen und Panoramen. Sollten Sie unter diesen Voraussetzungen reisen wollen, was ich Ihnen sehr empfehlen kann, hätte ich da ein paar kurze Tipps und Notizen…

1. Tanganyikasee

 

Auch wenn Gustave, das legendäre, Menschen fressende Krokodil schon lange nicht mehr gesehen wurde: der Tanganyikasee, der nach dem Victoriasee zweitgrößte See Afrikas, beeindruckt auch ohne Bestien. Fast 700 km lang erstreckt sich er sich entlang des westlichen afrikanischen Grabenbruchs. Obwohl durchschnittlich nur 50 km breit, soll der See unglaubliche eineinhalb Kilometer tief sein und bildet damit das größte Süßwasserreservoir Afrikas. Über lokale Reiseagenturen kann man hier sogar Tauchtripps organisieren und auf die Pirsch nach Buntbarschen gehen. Für alle Nichttaucher bietet der See einfach eine wunderbare Kulisse wenn er sich nach einem schwülen, heißen Tag mit einem dunstigen Schleier überzieht und sich die Berge des Kongo am anderen Ufer langsam in Dunkelheit auflösen. Zurück bleibt die Akustik Afrikas mit Vögeln, Insekten, Stadtleben und dem Chorgesang aus der Kirche neben dem Hotel. Und Mücken. Und deshalb sollten wegen des Malariarisikos ein wirksames Repellent und nachts ein Moskitonetz zur Grundausrüstung gehören.

 

2. Hippos und Strandbars
Gustave ist Legende, Hippos sind es nicht. Die angeblich gefährlichsten Tiere Afrikas, die Krokodile und Großkatzen in ihrer Gefährlichkeit für den Menschen in den Schatten stellen sollen, kommen gerne mal an den Strand einer der schicken Strandbars am Rande des Rusizi Nationalparks, um im seichten Wasser zu weiden und eine Bilderbuchkulisse für Ihr kühles Getränk und die gedämpfte Musik abzugeben. Burundi bietet vielleicht nicht die reiche Wildtierfauna seiner östlicheren Nachbarn Kenia und Tansania, aber auch hier kann man Einige Entdeckungen machen, wie den Afrikanischen Fischadler, den Hammerkopf oder Unmengen von Webervögeln.

3. Perspektiven

 

Neben der beeindruckenden Landschaft gibt es natürlich auch die Schattenseiten und Herausforderungen eines armen Landes. Und Perspektiven. Womit verdienen Sie ihr Geld? Genau. Sie leben von Ihrer Bildung. Sie ist die Grundlage für Entwicklung und Nachhaltigkeit. Wie investiert die Fondation Stamm Spendengelder? Sie investiert in Bildung. Kindergarten, Schule, pharmazeutische Ausbildung, medizinische Ausbildung, gesundheitliche Aufklärung, landwirtschaftliche Projekte, Mikrokredite für junge Frauen. Wenn Sie wissen wollen wie Nachhaltigkeit aussieht, lassen Sie sich von den MitarbeiterInnen der Fondation die Projekte zeigen! Die sind beeindruckend und allein schon einen Besuch wert!

 

4. Visionen
Der See, das über 2.000 Meter hohe Hochland im Süden mit atemberaubenden Panoramen, die südlichste Nilquelle, der nahe Kongo. Das alles sind touristische Versprechen, die es zu erschließen gilt. Wie macht man das? Genau: Ausbildung! Auf einem netten Grundstück, das die Fondation am Seeufer erworben hat, könnte vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft eine Hotelfachschule stehen. Die Vision dafür gibt es schon.

5. Respekt

 

Die Räume erinnern ein bisschen an einen Hochsicherheitstrakt. Langer Gang, links die Fenster zum umfriedeten Hof, mit Gittern davor. Rechts die Schlafräume, fensterlos, mit Stockbetten. Vier Frauen teilen sich mit ihren Kindern einen Raum. Was hier in Kinama, einem der ärmsten Viertel Bujumburas, aussieht wie ein Gefängnis, ist in Wahrheit eine Zuflucht, mit hohen Mauern und Wachmann. Die Bewohnerinnen sind junge, alleinerziehende Mütter, die nach Vergewaltigung und Vertreibung hier untergekommen sind. Die Frauen, alleinstehend, scheinen attraktive Ziele für die Männer der Nachbarschaft zu sein, die, über die Mauern geklettert, hier zweifelhafte Ablenkung und Spaß zu finden hoffen. Wären da nicht die dicken Mauern des Hauses, die Gitter und der Wachmann. Die Frauen stellen Handarbeiten und Spielsachen her, Puppen, Bälle, und lernen auf eigenen Beinen zu stehen. Mit etwas Glück werden sie nach einiger Zeit in burundische Gastfamilien oder ihre eigenen vermittelt, wo sie, ausgestattet mit Mikrokrediten als Anschubhilfe, einen Neuanfang wagen können. Das Heim in Kinama heißt „Nyubahiriza“ – respektiert uns. Ein mehr als respektables Projekt.

 

6. Muzungu! Amahoro!

 

Als Weißer werden Sie in Burundi auffallen, zumindest auf dem Land, weil sich hier, abseits der Hauptstadt Bujumbura, nicht so schrecklich viele Weiße herumtreiben. Und Sie werden ein kirundisches Wort schnell lernen! Muzungu, das Wort für einen Weißen, das die Kinder im Herbeilaufen rufen, mit breitem Lachen im Gesicht und ungespielter, sympathischer Neugier auf die Fremden. Antworten können Sie darauf mit einem freundichen amahoro, hallo, und ob Sie auf amahera reagieren wollen oder nicht, entscheiden Sie selbst. Damit werden Sie nämlich nicht begrüßt, sondern um Geld gebeten.

 

7. „A“ wie Ananas

 

Vergessen Sie mal, was sie sich unter Annanas so vorstellen. Reisen Sie nach Norden in die Nähe von Ngozi, zu Lucien, dem Leiter des Landwirtschaftsprojektes Ruhororo, und lassen Sie sich durch einen Teil der mehrere Hektar großen Anbauflächen mit Bananen und Mais und durch den Stall mit dem Vieh führen. Lucien wird Ihnen erklären, wie die Landarbeiter ausgebildet werden und mit welchen Vermarktungsmodellen sie arbeiten. Das Projekt läuft gut und der Absatz der Produkte funktioniert. Wenn Sie Glück haben, sind noch Ananas da. Vielleicht kriegen Sie eine frisch vom bodentiefen Strauch geschnitten und dürfen sie mit nach Hause nehmen. Und damit hätte sich die Reise dann auch schon gelohnt. Damit können Sie sich bei den Daheimgebliebenen nämlich ganz enorm beliebt machen und wird mehr keiner fragend den Kopf schütteln, von wegen „Burundi, ist nicht dein Ernst, oder?“. Ehrlich!

 

8. „A“ wie Avocado
Mein Rat: Frühstücken Sie anders. Auf gar keinen Fall wie zu Hause. Sie würden es bereuen. Wenn Sie im Hotel ein europäisches Frühstück bestellen, kriegen Sie ein Weißbrot mit ganz schrecklicher Erdbeermarmelade. Bestellen Sie Suppe, die bringt Sie zuverlässig in den Tag. Was drin ist, weiß ich nicht so genau. Blattgemüse kleingehackt. Sieht aus wie eine Mischung aus Spinat und Grünkohl. Nicht scharf aber gut. Dazu ein längliches Brötchen, außen dunkelbraun, innen süß und flauschig. Oder, mein persönlicher Favorit, eine Avocado. So reif und butterweich, wie ich vorher noch keine gegessen hatte. Salz dazu und dann loslöffeln. Vor vier Uhr nachmittags brauchen Sie an Hunger keinen Gedanken mehr zu verschwenden.

9. Mörderisch
Burundi ist gefährlich. Aber nicht wegen des Bürgerkriegs, dessen Narben überall zu sehen sind. Auch nicht, weil die Ausflüge zu entlegenen Wasserfällen mit bewaffneter Eskorte stattfinden, um Wegelagerer abzuschrecken. Auch nicht wegen der Malaria, die man aber natürlich nicht unterschätzen sollte. Gefährlich ist Burundi wegen seiner Radfahrer. Junge Männer, auf dem Gepäckträger Unmengen Bananen getürmt, oder Körbe, oder Gemüse. Radfahrer, die von ihren Feldern die steilen Serpentinen der Berge nach Bujumbura hinunter jagen, auf dem Weg zu den unzähligen kleinen und größeren Marktständen. Und die haben ein mörderisches Tempo. Die Tachonadel unseres Wagens stand auf 60, als wir von einem Radfahrer mit Sozius überholt wurden. Die Jungs bringen sich nicht nur selbst um, wenn sie aus der Kurve getragen werden. Sie sind auch eine tödliche Gefahr für alle, die zufällig im Weg stehen. Verena Stamm hatte eine Begegnung dieser Art und konnte nur mit viel Glück nach filmreifer Evakuierung in ein kenianisches Krankenhaus und künstlichem Koma wieder nach Hause zurückkehren.

 

10. Ein gutes Team
Vielleicht einer der besten Gründe, warum sich die Spenden an die burundikids bezahlt machen und warum man mal nach Burundi reisen sollte, ist das Team der Fondation Stamm. Gleich ob Verena, die Frau mit Visionen und Durchsetzungskraft, Philipp, der Organisator und Leiter des Büros, Clothilde, die Psychologin, die die alleinerziehenden Mütter betreut, Lucien vom Landwirtschaftsprojekt, Bienvenu, der die gesundheitlichen Aufklärungen organisiert, Martina, die von Köln aus eingreift und noch einige andere Helfer. Sie sind der gut geschmierte Motor, der all die beeindruckenden Projekte am Laufen hält.

11. Illegales
Weshalb Sie nicht nach Burundi kommen sollten und was Sie nicht machen sollten, weil es illegal ist, ist sich in Mustafas „Studio“, einem Metallverschlag in einem dunklen Hinterhof gegenüber des Centre Culturel Français, eine CD mit Songs kopieren lassen. Natürlich alles Raubkopien im mp3-Format und wahlweise lokale Bands oder international, traditionell oder urban. Geht definitiv nicht als Förderung des nationalen Musikbusiness durch, sondern ist selbstverständlich Diebstahl geistigen Eigentums.